Erlöserkirche und Missionstätigkeit

Die Missionstätigkeit bildet ein bis heute oftmals vernachlässigtes Kapitel der Kolonialgeschichte, dabei nahm sie eine wichtige Funktion darin ein, das koloniale Gewaltsystem zu stabilisieren und zu normalisieren. Auch in Detmold finden sich Spuren, so etwa in der Gemeinde der Erlöserkirche. Hier war seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert der Lippische Missionsverein tätig, der, wie viele andere Missionsgesellschaften auch, am deutschen Kolonialismus mitgewirkt hat. In einer Zeit, bevor es das Deutsche Reich mit seinen Kolonien überhaupt gab, weshalb dieser Abschnitt der deutschen Kolonialgeschichte oftmals übergangen wird und auch von Kirchen und Gemeinden selbst ignoriert wird.

»Gutes zu tun!« scheint eine Kontinuitätslinie zu sein, welche die Kulturen einer kolonialen Zeit mit derjenigen einer postkolonialen Zeit verknüpft. Doch weniger als Akt der Nächstenliebe, sondern eher als paternalistische Selbstdarstellung. Denn was heißt es eigentlich »Gutes« zu tun und inwieweit kann es »Gutes« sein, wenn es ein problematisches Unterdrückungs- oder Abhängigkeitssystem stabilisiert? Die christliche Missionstätigkeit praktizierte seit dem beginnenden 19. Jahrhundert in diesem Spannungsverhältnis, trat dabei aber meist als kolonialer Gewaltakteur in Erscheinung.
Die Missionstätigkeit nahm eine wichtige Rolle im (deutschen) Kolonialsystem ein, insbesondere auch in der Zeit bevor es einen deutschen Nationalstaat und somit auch deutsche Kolonien gab. Denn die Mission stellte eine Form der Öffentlichkeit und Sichtbarkeit für koloniales und rassistisches Gedankengut dar. Ihr erklärtes Ziel, den christlichen Glauben zu verbreiten, war stets auch mit dem Gedanken der »Zivilisierung« vermeintlich »Rückständiger« verknüpft. Der religiös-expansive Gedanke und der paternalistische Weltblick gingen dabei Hand in Hand. Das Kolonialsystem be- und entstand eben nicht nur auf der Grundlage militärischer, politischer und ökonomischer Unterdrückung und Ausbeutung, sondern wurde stets von einer Ideologie der Überlegenheit und einem selbstgerechten Kulturverständnis begleitet. In dieser kolonialen Kultur konnte ein menschenverachtendes Zwangs- und Ausbeutungssystem als vermeintlich selbstlose, menschliche und befreiende Hilfeleistung verklärt werden.
Wenn die Mission als guter Samariter auftritt und Geld- und Sachspenden für die »Armen« des globalen Südens sammelt, erzählt dies eben nicht nur eine gefährlich verkürzte Geschichte, sondern schlicht eine falsche. Die Missionstätigkeit war ein wichtiger Wegbereiter für die staatliche Kolonialpolitik. Indem Beziehungen, Vertrauen und Abhängigkeiten zu den Menschen im globalen Süden hergestellt wurden, aber auch, indem sie dazu beitrug, dass die koloniale Ideologie zu einer Selbstverständlichkeit in der Bevölkerung der Kolonialländer wurde.
Für die Auseinandersetzung mit der Missionstätigkeit und ihren andauernden Spuren ist darum nicht nur der Blick in den globalen Süden von Relevanz, als bedeutsam erweist sich auch die Sichtbarkeit dieser Tätigkeit in zahlreichen ländlichen und städtischen Regionen des 19. Jahrhunderts. So etwa auch in Detmold und Umgebung durch den Lippischen Missionsverein. Dieser ist eng verknüpft mit der Gemeinde der Erlöserkirche (ehemals Marktkirche) im Zentrum Detmolds. Hier fand nicht nur der Gottesdienst zum ersten Missionsfest im Juli 1841 statt, sondern Gemeindemitglieder und -funktionäre waren auch führend im Missionsverein aktiv.
Die Missionstätigkeit wies zwar eine gewisse Unabhängigkeit zur staatlichen Kolonialpolitik auf und macht in Einzelfällen auch davon Gebrauch. Etwa indem sie versuchte die Bevölkerung im globalen Süden vor der staatlichen Kolonialgewalt zu schützen. Doch dies blieben Einzelfälle, welchen der Umstand entgegensteht, dass Kirchen und Mission koloniale Akteure des globalen Nordens waren und dieses rassistische Gewaltsystem mithervorbrachten und stabilisierten. Die damit einhergehende Verantwortung vor der eigenen Geschichte haben die Kirchen in ihren zentralen Organisationen und insbesondere ihre lokalen Gemeinden meist noch nicht aufgearbeitet. Der Beitrag von Till und Daniel problematisiert dies und zieht Verbindungen zwischen Missionstätigkeit und Kolonialsystem.

Gemeinsam Geschichte Entdecken:
Kolonialismus in OWL – Ein Bildungsprojekt für Schulen

Helfen Sie uns, die verborgenen Kapitel unserer Geschichte zu enthüllen und das Bewusstsein für die koloniale Vergangenheit Ostwestfalen-Lippes zu schärfen. Mit unserem Projekt möchten wir Schulen die Möglichkeit bieten, tiefere Einblicke in die Nachwirkungen des Kolonialismus zu gewinnen und diese Erkenntnisse in den Unterricht zu integrieren. Nutzen Sie diese Chance, um Ihre Schüler für ein wichtiges und aktuelles Thema zu sensibilisieren.

    Ich willige in die Verarbeitung meiner personenbezogenen Daten zum Zwecke der Kontaktaufnahme gemäß Artikel 6 Absatz 1 lit. a der DSGVO ein. Alle wichtigen Informationen über die Verarbeitung Ihrer personenbezogenen Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklaerung.

    Hiermit stimme ich den Datenschutzbestimmungen zu.*

    * Pflichtfeld