Paderborner Rathaus und die deutsche Kolonial-
gesellschaft
Paderborn
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Das Paderborner Rathaus wirkt auf den ersten Blick wie ein typisches repräsentatives Stadtgebäude. Bei näherem Hinsehen lassen sich hier jedoch Bezüge zur Kolonialzeit finden, denn im Ratssaal tagte Ende 1891 erstmals der Paderborner Kolonialverein. Das macht das Rathaus jedoch keineswegs zu einem untypischen Stadtgebäude, sondern verdeutlicht viel mehr, die Alltäglichkeit kolonialer Bezüge in Stadtbild und Öffentlichkeit. Der deutsche Kolonialverein war eine Interessenvertretung mit dem Ziel, eine kolonial-rassistische Denk- und Lebensweise zu normalisieren und den öffentlichen Diskurs für die (deutsche) Kolonialpolitik zu begeistern. Die Geschichte des Vereins in Paderborn zeigt aber auch, dass der koloniale Gedanke im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zwar normal, jedoch keineswegs überall gleich ausgeprägt war.
Der deutsche Kolonialverein (gegründet August 1882) war eine Vereinigung, welche es sich zur Aufgabe machte, die Politik und Öffentlichkeit im Deutschen Reich zugunsten ihrer Interessen und Überzeugungen zu beeinflussen. Er war gewissermaßen eine Lobbyorganisation für die koloniale Gewaltpolitik. Er warb zunächst für deutsche Kolonien unter staatlichem Schutz, und nach der erfolgreichen Durchsetzung dieses Zieles, für einen räumlichen und infrastrukturellen Ausbau dieser Kolonien sowie einen steten gesellschaftlichen Rückhalt für diese Politik. Nach dem Ersten Weltkrieg (1918) und dem Ende deutscher Kolonien blieb der Verein seinem reaktionären und rassistischen Gedankengut treu und verfolgte weiterhin eine Wiederaufnahme deutscher Kolonialpolitik.
In Paderborn gründete sich ein städtischer Ableger des Kolonialvereins im Jahr 1891 und versuchte fortan die öffentliche Meinung von (s)einer kolonialen Weltsicht zu überzeugen. Dies erfolgte auf informellen Wegen, durch Beeinflussung von Politik und Eliten, aber auch durch öffentliche Veranstaltungen, wie etwa Vorträge oder Erfahrungs- und ›Reiseberichten‹. Mitglieder des Vereins, insbesondere des Führungskreises, waren häufig Teile der städtischen und regionalen Elite, etwa aus Politik oder Wirtschaft, oftmals mit offiziellen Positionen im Staatsdienst. So finden sich in Paderborn etwa Staatsanwälte, ein Landgerichtspräsident oder Gymnasiallehrer und -direktoren im Vorstand. Dennoch wies der Verein in Paderborn eine wechselvolle Geschichte auf, verzeichnete starke Mitgliederzuwächse und -abnahmen, löste sich zwischendurch sogar auf und gründete sich später neu (Siehe ausführlich hierzu: https://paderborn-postkolonial.de/beitraege/kolonialgesellschaft/).
Koloniales Denken und Kolonialpolitik waren im Deutschen Reich keineswegs unwidersprochen. Häufig stand eine spezifische Interessenpolitik dahinter, so sahen manche in der Kolonialpolitik ein finanzielles oder sicherheitspolitisches Risiko, etwa mit rivalisierenden Imperialmächten aneinander zu geraten. Andere sahen die Kolonialpolitik aber auch aus moralischen Gründen als verwerflich an und prangerten sie als menschenfeindliche Praxis an und opponierten gegen diese. Weshalb es in Paderborn zwar kolonialpolitische Bestrebungen gab, diese jedoch in Teilen geringere Mobilisierungs- und Organisierungserfolge verbuchten als in Nachbarstädten kann nicht abschließend geklärt werden. Potenzielle Erklärungen könnten in der katholischen Prägung der Region liegen, welche den oftmals mit Preußen und Protestantismus assoziierten Kolonialgedanken möglicherweise abschwächte. Eine andere Erklärung könnte in der Sozial- und Wirtschaftsstruktur der Region liegen, welche von kolonialen Verhältnissen weniger profitierte.
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Kolonialismus in OWL – Ein Bildungsprojekt für Schulen
Helfen Sie uns, die verborgenen Kapitel unserer Geschichte zu enthüllen und das Bewusstsein für die koloniale Vergangenheit Ostwestfalen-Lippes zu schärfen. Mit unserem Projekt möchten wir Schulen die Möglichkeit bieten, tiefere Einblicke in die Nachwirkungen des Kolonialismus zu gewinnen und diese Erkenntnisse in den Unterricht zu integrieren. Nutzen Sie diese Chance, um Ihre Schüler für ein wichtiges und aktuelles Thema zu sensibilisieren.